Gekauft vom Zerberus: Der Brautmarkt für Monster

Callista

»Unfruchtbare Hexe! Wie kannst du es wagen, uns zu täuschen?«

Eine faule Tomate klatschte auf meine Wange, und ich zuckte zusammen. Nicht wegen des widerlichen Geruchs und Geschmacks der Frucht, sondern weil ich wusste, dass ich viel widerlicher war.

Sie hatten mich auf der Lichtung nahe Agrion an einen Pfahl gebunden, und das straffe Seil um meine Handgelenke schnitt mir ins Fleisch. Es tat weh, aber ich nahm den Schmerz kaum wahr. Er konnte nicht mithalten mit dem erdrückenden Gewicht, das mir das Herz aus der Brust zu reißen drohte.

Drei Jahre. Drei Jahre sorgfältiger Lügen, morgendlicher Kräutersuchen in der Dämmerung, des täglichen Hinunterwürgens bitteren Tees. Alles zerstört durch die Nase eines einzigen Satyrs. Ich konnte nicht einmal behaupten, ich hätte es nicht verdient.

Syagros schritt wie ein Raubtier um mich herum, seine polierten Hörner fingen das Sonnenlicht. »Seht sie euch an!« fauchte er. »Die Anwesenheit dieser verfluchten Frau unter uns hat den Tod bis vor unsere Tür gebracht!«

Er schonte immer noch seine linke Seite, und jedem seiner Schritte fehlte die übliche Grazie eines Satyrs. Mir rutschte das Herz in die Hose. Ich hatte immer gewusst, dass er das jüngste Massaker erwähnen würde, aber dadurch wurde es nicht leichter, es zu hören.

Vor nur einer Woche war unsere Heimat, die Korinos-Wildnis, vom Jahrestag der Wende heimgesucht worden. Für glückliche Siedlungen bedeutete dieser Tag nichts als eine ferne Erinnerung an die Katastrophe, die die Welt zerrissen hatte. Aber wir lebten im Schatten der Verdorbenen Lande, jenes schrecklichen Ortes, an dem die Wende am härtesten zugeschlagen hatte.

Jedes Jahr schien ihre Seuche weiter um sich zu greifen. Schließlich hatte Syagros die Entscheidung getroffen. Er hatte die Stärksten aus mehreren Dörfern zusammengetrommelt, in der Hoffnung, die Verseuchung einzudämmen. Nur eine Handvoll war zurückgekehrt, verwundet, verloren und verängstigt.

Ich hatte versucht, ihnen zu helfen, hatte sie in meine Hütte gebracht, ihre Wunden versorgt. Da hatte er sich nah genug herabgebeugt, um meinen Geruch wahrzunehmen. Und er hatte es gewusst.

Wie an jenem Tag zeigte Syagros mit einem anklagenden Finger auf mich. »Die Verderbten sind ihretwegen zu uns gekommen! Ihr Fluch hat die Verderbten angelockt wie Fliegen ans Aas!«

Die Dorfbewohner verzogen die Gesichter, während ihre Züge von Hass entstellt waren. Eine Frau im Gedränge stieß einen Klageschrei aus. »Mein Mann ist deinetwegen tot! Die Monster haben ihn in Stücke gerissen!«

Unter der Last ihrer Schuldzuweisungen bekam ich kaum Luft. Sie glaubten, mein unfruchtbarer Schoß habe diese Kreaturen irgendwie aus den Verdorbenen Landen herbeigerufen, dass meine bloße Existenz ihre Zeremonie zur Zielscheibe gemacht hatte. Wie sollte ich ihnen das Gegenteil klarmachen, wenn ich selbst nicht wusste, was ich getan hatte?

»Ich würde niemals unschuldigen Menschen den Tod wünschen«, krächzte ich. »Ich verstehe nicht, warum diese Monster gekommen sind, aber ich habe sie nie gerufen. Ich habe versucht, den Überlebenden zu helfen, als sie verwundet zurückgekommen sind.«

»Lügnerin!« Die Witwe stürzte vor, als wollte sie mir dasselbe Schicksal gönnen, das ihren Mann ereilt hatte. »Deine Bosheit hat uns alle verflucht!«

»Es gibt Beweise, dass sie ihre Taten geplant hat.« Syagros holte ein Bündel wohlbekannter Kräuter hervor. Die kostbaren Pflanzen, die meinen Fluch verborgen hatten, baumelten vor der Menge wie Mordbeweise.

»Mondbann und Bitterwurzel, um den Gestank eines unfruchtbaren Schoßes zu verbergen!« erklärte er. »Sie hat sich jeden Tag vergiftet, um uns anzulügen!«

Melos, der Schmied, spuckte in den Staub neben meinen Knien. »Drei Jahre hat sie sich unter uns versteckt und Flüche auf uns herabbeschworen.«

Mein Hals brannte vor dem Drang, mich zu verteidigen, aber welche Verteidigung hatte ich schon? Ich war genau das, was sie sagten, eine Frau, deren Schoß sich niemals füllen würde, deren Körper jede Erwartung verraten hatte.

Ich unternahm einen letzten Versuch, weil ich nicht anders konnte. Ich musste sie verstehen lassen. »Ich habe niemandem etwas getan. Ich habe ehrlich gearbeitet, mich aus allem rausgehalten.«

Syagros blieb stehen. Seine wütenden Augen bohrten sich in meine, dunkler als die Verdorbenen Lande selbst. »Ehrlich? Sie haben mit jedem Gewebe, jeder Berührung Gift verbreitet!«

Mit jedem seiner Worte wuchs der Zorn der Menge. Eine weitere Tomate traf meine Wange. Und dann fanden die Dorfbewohner sogar faule Früchte zu gut für mich. Ein alter Mann warf einen Stein, der mich an der Schulter erwischte und einen scharfen Schmerz den Arm hinabschickte.

Melos begann, an seinem Hemd zu reißen, und der Stoff zerriss mit einem Geräusch wie brechende Knochen. »Dieses verfluchte Hemd ... Meine Schmiedearbeit ist schwach, seit ich es trage!«

Er schleuderte den ruinösen Stoff vor meine Füße, und andere folgten seinem Beispiel. Agrions betagte Hebamme stolperte vor und warf eine Babydecke hin, die ich mit kleinen Blumen bestickt hatte.

»Mein Enkel brennt vor Fieber!« Sie sank auf die Knie, Tränen liefen ihr über die Wangen. »Ich hätte es wissen müssen ... Ich hätte wissen müssen, dass es Ihre Schuld ist.«

Mehr Stoffe flogen durch die Luft. Hochzeitsleinen, Arbeitshemden, Wintermäntel, alles landete in einem wachsenden Haufen um mich herum. Jedes geworfene Stück riss eine neue Wunde in meine Brust. Das waren nicht nur Kleidungsstücke. Es waren mein Stolz, mein Können, mein einziger Wert in einer Welt, die für kaputte Frauen keine Verwendung hatte.

Eine Dryade trat vor, ihre Borkenhaut kräuselte sich vor Ekel. »Die Erde selbst wird krank, wo dein Stoff sie berührt!«

Jemand schlug am Haufen Feuerstein. Flammen erfassten die Baumwolle und griffen schnell auf die Wolle über. Ich hätte wegsehen sollen, aber ich konnte es nicht. Erstarrt vor Entsetzen sah ich zu, wie alles, was ich je geschaffen hatte, zu Asche wurde.

Es hätte nicht noch schlimmer kommen dürfen. Aber das bisschen Glück, das die Götter mir gegeben hatten, hatte ich in den letzten drei Jahren verbraucht. Es war an der Zeit, den Preis zu zahlen.

Eine Gruppe Mütter drängte sich durch die Menge, angeführt von einer Frau, die ich mit sinkendem Herzen erkannte. Elena, deren Schafe die feinste Wolle des Dorfes lieferten. Sie hatte mir Vliese für meine Gewebe gebracht, immer stolz auf die weichen Felle ihrer Tiere. Wir hatten unzählige Stunden damit verbracht, zu besprechen, welche Wolle für welche Projekte am besten taugte.

In Elenas Augen brannte eine Wut, die Syagros’ Hass weit übertraf. In den Händen trug sie das wunderschöne Kleid, das ich aus ihrer Wolle gewebt hatte. »Meine Tochter hat das auf dem Brautmarkt getragen.« Sie zitterte vor mühsam unterdrückter Rage. »Wegen deiner Webung, deiner verfluchten Näharbeit ... Das Monster hat einmal geschnuppert und sich abgewandt!«

Andere Mütter nickten, ihre Mienen hart. »Drei Märkte ruiniert!« rief eine, die Hände zu Fäusten geballt. »Unsere Mädchen bleiben ungenommen wegen deines Makels!«

Ich wollte es leugnen, mich verteidigen, wie ich es vorher getan hatte. Aber in meinem Herzen wusste ich, dass ich es nicht konnte. All diese wunderschönen Kleider, an denen ich so hart gearbeitet hatte ... Ich hatte gedacht, ich würde helfen, diesen Leuten danken, weil sie mich aufgenommen hatten. Stattdessen hatte ich unschuldige Mädchen gebrandmarkt. Jeder sorgsame Stich war ein Schandmal gewesen. Ich hatte meinen Fluch auf andere Frauen übertragen, ohne es überhaupt zu wissen.

»Ich habe von der Weberei nichts gewusst«, flüsterte ich, und jedes Wort schmeckte nach Asche. »Ich wollte niemals, dass jemand anderes leidet.«

Elena warf das Kleid ins Feuer, wo es aufflammte und unnatürlich hell brannte. »Absicht zählt nichts, wenn unsere Töchter wegen dir als alte Jungfern enden!«

Der Rauch wurde dichter, ätzend und zum Husten reizend. Elena und die anderen Frauen bildeten einen engen Kreis um mich herum. Die friedliche Waldlichtung war zu einem Tribunal geworden, und uralte Eichen bezeugten mein Urteil.

»Meine Lydia war schön!« schrie Elena, bebend vor Zorn. »Perfekt! Sie wäre jedem Monster eine gute Frau gewesen!«

Eine Pause trat ein, als hielte die Luft selbst den Atem an. Dann lachte Melos, ein harscher Laut, der das Knistern der Flammen übertönte. »Deine Lydia? Dieses fade Mädchen? Sie wäre auch ohne den Fluch nicht genommen worden.«

Elena wurde leichenblass. »Was hast du gesagt?«

»Ich habe gesagt, dass deine Tochter unscheinbar wie ein Lehmzaun ist. Kein Monster würde sie wollen, selbst wenn sie nach Rosen riechen würde.«

»Du Bastard!« Elenas Körper bebte vor Wut. »Wie kannst du es wagen—«

»Stimmt doch, oder?« meldete sich die Hebamme, die eigene Trauer machte sie grausam. »Mein Enkel mag krank sein, aber ich habe mir wenigstens nie was über seine Aussichten vorgemacht. Deine Göre sieht aus wie das Hinterteil eines Maultiers.«

Elena griff nach ihrer Wollschere, zog sie vom Gürtel. »Halt den Mund, du vertrocknete Krähe!«

»Mach doch«, sagte die Hebamme grinsend. »Immerhin bin ich nicht verblendet, was meine Familie angeht.«

Es hätte keinen Unterschied machen sollen. Sie waren alle hier, um über mich zu richten, und kleinliche Streitereien bedeuteten dagegen nichts. Aber Elenas Wut reichte viel tiefer, als ich oder irgendwer sonst erwartet hatte. Ihre Pupillen weiteten sich, bis nur noch dünne Farbringe übrig blieben. Als sie wieder sprach, tropfte jedes Wort vor Gift. »Verblendet? Ich zeig dir Verblendung.«

Sie stieß die Hebamme hart vor und warf sie rückwärts ins Feuer. Der Schrei der alten Frau zerriss die Luft, als die Flammen ihre Kleidung erfassten. Sie rollte weg und schlug auf den brennenden Stoff ein.

»Elena!« Eine von Elenas Freundinnen stellte sich zwischen sie, packte Elenas Arm. »Bist du übergeschnappt?«

Elena wirbelte herum und hieb mit der Wollschere zu, riss ihrer Freundin einen Schnitt über den Unterarm. Blut spritzte in einem Bogen, und die Verletzte taumelte mit einem Schmerzensschrei und Schock zurück.

»Ihr seid alle gegen mich!« kreischte Elena, und der Laut klang kaum noch menschlich. »Ihr neidischen Schreckschrauben!«

Melos trat vor, den selben Hammer umklammert, mit dem er meinen Webstuhl repariert hatte. » Jemand muss dich zur Strecke bringen, bevor du noch jemandem wehtust.«

»Versuchs doch, du besoffener Trottel!«

Der Schmied schwang seinen Hammer, doch Elena duckte sich und stieß mit der Schere nach seiner Kehle. Er packte ihr Handgelenk, und sie rangen miteinander, krachten in andere Dorfbewohner, die versucht hatten, zurückzuweichen.

Was geschah hier? Das waren meine Nachbarn, Menschen, die ich seit Jahren kannte. Elena brachte mir jeden Monat Wolle, blieb immer auf ein Schwätzchen über ihre Schafe, ihre Tochter, das Wetter. Die Hebamme hatte unzählige Kinder auf die Welt geholfen. Melos war immer brummig, aber fair gewesen, nie grausam.

Menschen fielen einander nicht einfach so an. Nicht wegen Beleidigungen, nicht wegen alter Kränkungen. Aber Elena war zu jemandem geworden, den ich nicht wiedererkannte. Und dann ließ Melos seinen Hammer auf ihren Schädel niederfahren, und von ihr war nichts mehr übrig.

»Hört auf!« schrie ich, aber der Laut ging im eskalierenden Blutrausch unter. »Götter, bitte, beendet das!«

Aber sie waren nicht mehr zu erreichen. Die Menge war zu einem Rudel Tiere geworden, und ich steckte im Zentrum ihres Wahnsinns fest. Ein anderer Dorfbewohner packte Elenas heruntergefallene Schere und rammte sie Melos in den Rücken. Der Schmied brüllte auf und wirbelte herum, packte seinen Angreifer an der Kehle und drückte zu, bis die Knochen knackten.

Es hätte mich anekeln müssen, und auf eine Art tat es das auch. Aber zum ersten Mal seit Beginn dieses Albtraums wandte Syagros sich von mir ab. Mit einem brüllenden Schrei stürzte er sich auf einen nahen Dorfbewohner und vergaß dabei seinen Zorn auf mich.

Ich hatte keine Ahnung, warum das passierte, aber es spielte keine Rolle. Niemand achtete mehr auf mich. Alle waren aufeinander fixiert. Das war meine Chance, und ich würde sie nicht vergeuden.

Ich drehte meine Handgelenke gegen das Seil, das mich an den Holzpfosten fesselte. Es würde schwierig werden, frei zu kommen, aber nicht unmöglich. Syagros war grob gewesen, als er mich gefesselt hatte, aber er hatte nie vorgehabt, mich unbeobachtet zu lassen.

Während ich am Seil arbeitete, hob die Hebamme den Holzscheit auf, an dem sie sich verbrannt hatte, und spießte damit unseren Wirt auf. Eine Nymphe kreischte über gestohlene Liebhaber und fuhr einer Menschenfrau mit ihren Zweigfingern durchs Gesicht. Eine Dryade benutzte ihre Finger, um einem schreienden Mann die Eingeweide herauszureißen. Glänzende Darmschlingen quollen auf den Waldboden, während sie wie ein Kind kicherte.

Wie konnte das real sein? Wie war aus einer Verhandlung ein Massaker geworden? Diese Leute waren Bauern und Handwerker, Mütter und Väter. Sie waren keine Krieger oder Verbrecher. Sie hatten jahrzehntelang friedlich zusammengelebt. Sie teilten Mahlzeiten, halfen einander mit den Kindern, arbeiteten Seite an Seite durch jede Jahreszeit. Es war fast pervers, ihren Wahnsinn für meine eigene Freiheit zu nutzen, aber ich hatte keine Wahl.

Ich fand am Pfosten einen scharfen Splitter und rieb das Seil verzweifelt daran. Die groben Fasern fransten langsam aus und wurden mit jedem hektischen Schaben schwächer. Meine Schultern schrien vor Schmerz im unnatürlichen Winkel, aber ich biss die Zähne zusammen und ignorierte es.

Körper schlugen mit dumpfen Geräuschen auf. Die Luft füllte sich mit einem metallischen Gestank, so dicht, dass ich ihn schmecken konnte. Die friedliche Dorflichtung wurde zu einem Schlachthaus, erleuchtet vom höllischen Licht meiner brennenden Lebensarbeit.

Unser Dorf war an diesen unbegreiflichen Wahnsinn verloren. Die ganze Zeit über wurde ich im Zentrum des Gemetzels vergessen. Ich stand da, unsichtbar, während meine Nachbarn einander mit Werkzeugen und Hausrat töteten. Und ich nutzte die Zeit gut.

Mit einem letzten Ruck riss das geschwächte Seil, und meine Hände waren frei. Ich beugte die Finger, kaum fassend, dass ich nicht mehr an den Pfosten gebunden war.

Im selben Moment brach der seltsame Bann, der mich bisher verschont hatte. Syagros stieß den Mann beiseite, den er gerade getötet hatte, seine eleganten Kleider nun vom Blut durchtränkt. »Stirb mit deinen verfluchten Fäden, du unfruchtbare Hure!«

Ich robbte panisch rückwärts, meine frisch befreiten Hände zitterten vor Erschöpfung. Es reichte nicht. Umgeben vom Chaos hatte ich nirgendwohin. Er schnellte vor und riss mich zu Boden, sein Gewicht presste mich in das dreckige Gras.

Als er nach meiner Kehle griff, um mich zu erwürgen, versuchte ich, ihm ins Gesicht zu kratzen. Meine menschlichen Fingernägel waren eine jämmerliche Waffe gegen seine Satyrhaut. Und dann erinnerte ich mich. Ich war diejenige gewesen, die ihn versorgt hatte, als sein Volk ihn verwundet nach Agrion geschleppt hatte. Ich wusste genau, wo seine Wunden gewesen waren.

Ich betete zu allen Göttern, dass es funktionieren würde, und rammte ihm die Faust in die linke Seite. Er stöhnte auf und krümmte sich, sein Griff um mich wurde locker. Dieser Moment der Schwäche war alles, was ich brauchte. Ich packte sein linkes Horn mit beiden Händen und drehte, so stark ich konnte.

Verzweiflung verlieh mir eine Kraft, von der ich nicht gewusst hatte, dass ich sie hatte. Es brach mit einem feuchten Krachen ab, und Syagros schrie, ein Laut, der mehr Tier als Satyr war. Er taumelte zurück, den Stumpf umklammernd.

Ich sprang auf, schwang sein abgebrochenes Horn wie einen Dolch. »Komm und hol mich! Na los, wenn du keine Angst vor dem Sterben hast.«

Ich hatte erwartet, dass er sich wieder auf mich stürzen würde. Er war viel zu arrogant, um mich für eine Gefahr zu halten, und das war eine weitere Schwäche, die ich ausnutzen konnte. Aber vielleicht war ich genauso dumm gewesen, denn was er tatsächlich tat, überraschte mich völlig.

Mit einem Knurren senkte Syagros den Kopf wie ein rasendes Tier. In seiner Wut stürmte er mit dem verbliebenen Horn auf mich zu. Ich hatte noch nie gesehen, dass ein Satyr so kämpfte. Ich war nicht darauf vorbereitet.

Ich versuchte auszuweichen, aber ich war zu erschöpft und bewegte mich zu langsam. Sein Horn erwischte mich in der Seite, durchstieß Haut und Muskel mit einem nassen Reißgeräusch. Der Aufprall schleuderte mich zurück, sein Gewicht krachte auf mich, als wir beide auf dem blutglitschigen Boden landeten.

Die Qual explodierte in mir, so heftig, dass mir fast auf der Stelle schwarz vor Augen wurde. Das war es. So würde ich sterben. Aber selbst als sich die Dunkelheit an den Rändern meines Blicks ausbreitete, brannte meine Wut heißer als der Schmerz.

Ich weigerte mich, allein zu sterben. Ich packte das Horn, das ich ihm vom Kopf gerissen hatte, noch fester. Mit meiner letzten Kraft stieß ich es ihm tief in die Kehle.

Syagros stieß ein ersticktes Keuchen aus. Blut schoss aus der Wunde, während er würgte, seine Hände krallten an seiner ruinierten Kehle. Er versuchte zu sprechen, aber nur feuchte Röcheln kamen heraus, die bei jedem Versuch schwächer wurden.

»Wir sehen uns im Jenseits, du Sohn einer kranken Ziege«, knurrte ich und drehte das Horn tiefer in sein Fleisch.

Er riss sich zurück, und sein verbliebenes Horn glitt aus meinem Körper. Es tat so weh, aber es war mir egal. Das Wissen um meinen Sieg schmeckte viel zu süß.

Er versuchte zu sprechen, doch die Worte schafften es kaum über seine Lippen. »Du ... verfluchte ...«

Ich lächelte und sah zu, wie das Leben aus seinem arroganten Gesicht wich, mit einer Schadenfreude, die ich nicht zu verbergen versuchte. »Das ist für jeden Tag, an dem du mich hast fühlen lassen, nichts wert zu sein.«

Langsam wurden seine Zuckungen schwächer. Nach einer Ewigkeit blieb er still. Sein Gewicht sank ganz auf mich, nagelte mich unter seiner Leiche fest.

Um uns herum brannte der Wahnsinn endlich aus. Auf der Lichtung wurde es unnatürlich still, abgesehen vom Knistern sterbender Feuer. Blut sammelte sich unter mir, warm und dick, sickerte durch meine Kleidung und in die Erde, die meine Schande bezeugt hatte. Jeder Atemzug fiel schwerer als der vorherige, flach und rasselnd, und schickte neue Wellen der Qual durch mich.

Seltsamerweise störten mich die körperlichen Schmerzen nicht. Wenn überhaupt, fügten sich endlich alle Puzzleteile. Vielleicht hatte es immer so enden sollen. Mein Körper konnte mir nie das eine geben, was eine Frau wertvoll machte. Warum also sollte ich überhaupt noch leben wollen?

Meine Schwestern hatten geblutet und wurden rund mit Kindern, während ich, unfruchtbar wie Winterfelder, leer blieb. Ich war vor ihnen weggelaufen, vielleicht in der Hoffnung, dass ich, wenn ich mich nur genug bemühte, irgendeinen Grund zum Dasein finden würde. Ich war eine Närrin gewesen. Die Kräuter hatten mir Zeit erkauft, aber sie konnten nicht ändern, was ich war. Ein zerbrochenes Ding, das sich als ganz ausgab.

Die Welt begann an den Rändern zu verschwimmen, die Geräusche wurden fern und gedämpft. Der Schmerz begann in Taubheit zu versickern. »So ist es besser«, murmelte ich, auch wenn niemand da war, der es hören konnte.

Ich war ohnehin seit Jahren innerlich tot. Ein Geist, der mein eigenes Leben heimsuchte, und so tat, als machte mich mein leerer Schoß nicht weniger ganz. Jetzt zog mein Körper endlich mit dem gleich, was schon immer wahr gewesen war.

Die Dunkelheit drückte von allen Seiten, weich und willkommen heißend. Ich hörte auf, gegen sie anzukämpfen.

Mein Blick wurde schwarz, und ich sank ins Nichts.

Chapter I. Die Verhandlung

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